In 240 Tagen

Das Stillleben

von Caren Jeß

Eine junge Geisteswissenschaftlerin betrachtet ein Bild, ein Stillleben: Mann sitzt auf Stuhl. Aha. Erste Hälfte 19. Jahrhundert, Biedermeier. Soso. Klingt im ersten Moment ja nicht soo spannend ... Bis sie dann anfängt, das Bild einzuordnen, über die Zeit zu reflektieren, in der es entstand: die Ära der Industrialisierung, Eisenbahn, Krupp, Marx und Bismarck. Eine sich rasant entwickelnde Zeit, Erfindungen im gefühlten Minutentakt, vom Agrarland zur Industrienation, schnell, dreckig, laut, ein divergierendes Zwei-Klassen- System. Das Stillleben aber zeigt: häusliche Ruhe, Ordnung, Überschaubarkeit. Draußen formt sich die Welt um, drinnen, in seinen geschützten vier Wänden, sitzt der Max Mustermann des Biedermeier. Die Bildbetrachterin nennt ihn der Einfachheit halber Frank. Und ordnet erneut ein, Biedermeier vs. Jetztzeit: Flucht ins private Idyll, Cocooning, Manufactum und XXXLutz zuhause - Corona, Krieg und Klimawandel woanders. Und in der Tat haben wir das ja schon immer gut draufgehabt, den Rückzug ins Private. Wird schon alles nicht so schlimm werden ... Das Bild stimmt.

Caren Jeß unternimmt mit »Das Stillleben« einen wilden Parforceritt durch die Geistesgeschichte bürgerlicher Fluchtversuche ins Private und seziert konsequent den gesellschaftlichen Wandel und dessen Verwerfungen.

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