Der kleine
Zeitgeist
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Der kleine
Zeitgeist
Der kleine Zeitgeist atmete lange und tief durch. Erst jetzt bemerkte er, dass es langsam dunkel wurde. Es war ein langer Tag mit viiiielen Fragen gewesen und für heute hatte er genug erlebt.
Er hatte Marta kennengelernt und sich mit ihr in dieser wunderschönen Stadt von ein paar klitzekleinen kastenförmigen Steinen getrennt.
Rote Leuchtkästchen wurden zur grünen Ampel, weil er mit Eslim und Asmin den Menschen die Vorfahrt gegeben hatte und nicht den Autos.
Er hatte mit Johann und Pauli ein paar große Parkkästchen einfach weggeschrubbt.
Mit Rasmus und Ben hatte er aus einem „Spiegelkasten“ ein Guckhaus mit der größten Murmelbahn der Welt gemacht.
Und er hatte für Klaras und Marlenes Papa und Mama ein Erholungskästchen für das Handy gebaut.
Das war ein aufregender Tag und der hatte eine ganze Menge neuer Dinge für einen kleinen Zeitgeist gebracht. Nun war es Zeit für ein Schläfchen in seiner kleinen Backsteinwohnung. Morgen war ein neuer Tag. Für neue Fragen und neue Abenteuer. Er rieb sich die Augen und freute sich auf sein Kuschelbettchen. Am Eingang vor seiner Backsteinwohnung erschrak er.
„Meine Wohnung ist geschrumpft! Sie ist miniklein geworden! Fast kleiner als das Erholungskästchen für die Handys!“ Er versuchte hineinzuschweben, aber es gelang ihm nicht, einfach zu klein das Ding. Der kleine Ü war ganz aufgeregt: „Das gibt es doch nicht, ich passe gar nicht mehr hinein! Wie kann denn eine Wohnung schrumpfen, bitteschön?“. Und schon wieder war da eine neue Frage, für die er dringend eine Antwort brauchte. Der kleine Übergang konnte wirklich nicht ohne Fragen sein. Nicht mal wenn er schon wirklich, wirklich, ganz ehrlich und richtig müde war.
„Die Wohnung ist nicht geschrumpft, mein kleiner Zeitgeist sondern DU bist gewachsen, sagte eine sanfte, freundliche Stimme. Wer war das? Der kleine Ü sah vor sich eine süße Maus mit langen Schnurrhaaren. Sie sah freundlich aus. „Guten Abend“, sagte die Maus, „Ich bin Rosemarie, die kleine Kirchenmaus von St. Marien.“. „Woher weißt du denn, dass ich gewachsen bin?“, „Na, weil alle Zeitgeister wachsen. Am Anfang sind sie ganz klein. Und mit jeder Frage und mit jeder Antwort wachsen sie ein Stückchen weiter. Je mehr Gedanken sich verändern, desto größer wirst du. Das war beim Zeitgeist Jürgen auch so und bei Wilhelm auch.“, „Stimmt“, dachte Ü bei sich denn jetzt erst fiel ihm auf, dass Jürgen ja tatsächlich riesengroß gewesen war. Sogar noch viel größer als Ü jetzt gerade.
„Woher weißt denn du das alles, Rosemarie?“, fragte Ü. „Ach weißt du, ich bin zwar sehr klein und bleibe es auch, aber ich habe schon Vieles erlebt und viele Zeitgeister kommen und gehen sehen. Und jetzt freue ich mich, dass wir dich bei uns haben und dass du ordentlich wächst und gedeihst. Wie eine fröhliche Sonnenblume im Wind.“
Der kleine Übergang dachte nach. Eine Sonnenblume im Wind. Das gefiel ihm.
„Wenn du magst, kannst du erstmal mit mir kommen und bei mir wohnen. Ich wohne in einer Kirche. St. Marien ist eine riiiiiesengroße Kirche. Und eigentlich fast ein bisschen zu groß für eine Maus allein. Da findest du ausreichend Platz für all deine Fragen und all deine neue Gedanken.“
Der kleine Ü freute sich über beide Ohren. Er hatte ein neues Zuhause gefunden. Zumindest für heute Nacht. Aufgeregt schwebte er auf und nieder. „Gemeinsam ist man weniger allein“, dachte er bei sich und bemerkte erst jetzt, dass ihm in der kleinen Backsteinwohnung jemand Nettes zum Reden gefehlt hatte. Die Maus schlüpfte für den zu groß gewordenen Zeitgeist schnell noch einmal in seine kleine Backsteinwohnung hinein und kramte sein Kuschelkissen hervor. Dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg in Rosemaries große Wohnung in St. Marien.
Der kleine Übergang war glücklich und gähnte. Heute hatte er so viele schöne Fragen stellen können und so viele Antworten bekommen.
Und das Wichtigste: er hat viele tolle Kinder kennenlernen dürfen und mit ihnen Neues ausprobiert.
Und nun hatte er auch noch eine Freundin gefunden – Rosemarie. Schöner gings wohl nicht, dachte er zufrieden bei sich und kuschelte sich müde in sein Kuschelkissen. Langsam fielen ihm die Äuglein zu. Und dann schlief er ein, tief und fest. Und er träumte von morgen. Und von neuen Zeiten. So wie alle Zeitgeister das machen.