Was Rosemarie hingegen wusste: Sie befand sich nicht in Goudahausen, Butterkäsedorf oder Mozzarella-City, sondern in Bremen – genauer gesagt, war sie zufällig in der Küche der passionierten Hausfrau Edith Opitz gelandet. Da Rosemaries Magen noch immer keine Ruhe gab, tat sie, was gute Mäuse nun mal tun. Sie folgte dem Duft bis auf den Küchentisch und ließ es sich ordentlich schmecken.

Edith Opitz kann man sich als sehr große, sehr strenge und sehr disziplinierte Person vorstellen. Just legte Edith Opitz noch ein prächtiges Stück Tilsiter auf die riesige Käseplatte, die sie für ihren Gatten Eberhard und dessen Musikerfreunde vorbereitet hatte.
Die Musikanten probten in der guten Stube Verdi und von Verdi bekommt man, wie jeder weiß, mächtig Hunger. Ganz kurz überlegte Edith Opitz, ob sie vielleicht ein winziges Stückchen Käse naschen sollte. Nur ein klitzekleines. Ein Käse-Atom. Oder ein halbes. Doch dann ließ sie es lieber bleiben, schließlich war sie ja diszipliniert.

In diesem Moment entdeckte die Hausfrau Edith die Mausfrau Rosemarie zwischen Camembert und Gorgonzola – und schrie.

Ediths Schrei war so glockenhell und wolkenkratzerhoch, dass die Fensterscheiben bebten, die Gurkengläser zersprangen, der Hund zum ersten Mal in seinem Leben Gänsehaut bekam (er dachte: nanu?!) und die Hausspinnen heilfroh waren, dass sie keine Ohren hatten.  

Auch Rosemarie war mächtig erschrocken. Nur Eberhard Opitz, der aus dem Wohnzimmer angelaufen kam und noch seine Geige unter dem Arm trug, strahlte über das ganze bärtige Gesicht und rief: „Edith! Ich wusste ja gar nicht, dass du so toll singen kannst!“

„Ich auch nicht“, sagte Edith Opitz und wurde vor Freude über das Kompliment so rot wie Rosemaries Schleife.

„Weshalb singst du denn plötzlich in der Küche Verdi?!“, fragte Eberhard neugierig.

„Deshalb…“, sagte Edith und deutete mit zitterndem Finger zwischen Camembert und Gorgonzola.

„Gestatten, Rosemarie“, sagte Rosemarie mit vollem Mund. „Sehr erfreut.“

„Habe die Ehre, gnä Maus“, sagte Eberhard Opitz höflich und machte seine tiefste Verbeugung, und das, obwohl er Rheuma hatte. Dann wandte er sich an seine Frau:
„Komm, Schatz – sing für uns!“

Schon kurze Zeit später hatten alle gemeinsam Spaß in der guten Stube. Die Musiker spielten Verdi, Edith sang Verdi, Rosemarie aß Brie. Eberhard steckte ihr ein Stück nach dem anderen zu. Kein Wunder – schließlich hatte er nur dank Rosemarie das ungeheuerliche Gesangstalent seiner Frau entdeckt.
In dieser Nacht saß man lange zusammen, lachte, muszierte und sang. Es zersprangen noch einige Gurkengläser und es bekamen auch noch einige Hunde Gänsehaut (sie dachten: nanu?!), aber das macht nichts, denn Gänsehaut gehört zum Leben ja irgendwie dazu.

Am nächsten Morgen verabschiedete sich die Maus Rosemarie von Edith und Eberhard Opitz. Sie sagte: „Ich sehe, dass ihr das Beste aus diesen schweren Zeiten macht. Toll, dass ihr gemeinsam musiziert und  … äh … singt. Aber jetzt muss ich weiter – denn ich will wissen, ob es all den anderen Menschen genauso gut geht, wie euch.“

Edith sang „Time to Say Goodbye“, Eberhard winkte, der Hund jaulte.

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